TdV 2016 – Sprintetappe

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Gewitter und Regen für den ganzen Tag waren angekündigt.

Die Meteorologen haben sich einen kleinen Scherz erlaubt. Gewitter und Starkregen sind nirgendwo zu erahnen, im gegenüberliegenden Berg hängen noch ein paar Nebelfetzen, die vom nächtlichen Regen zeugen, sonst verspricht der Himmel mit seinen vereinzelten Schäfchenwolken und 24° bestes Radfahrwetter. Nichts anderes haben wir als  TdV-Abschluss verdient. Da keiner von uns damit gerechnet hat und uns fünf Tage auf dem Rad in den Beinen stecken, kommen wir heute etwas schwer aus dem Quark und sind gegen elf Uhr zur letzten Ausfahrt bereit. Da wir noch Packen, Wohnungsputz und Heimreise vor uns haben, soll es nichts spektakuläres werden, sondern nur kurz Beine ausschütteln.

Definition „Beine ausschütteln“: „Man fährt gemütlich los, bis sich jemand merkwürdig überholt fühlt, dann wird es ähnlich dem Fahren ohne Wertung (s.o.)“

IMG_2459Als allwissender Erzähler verrate ich schon mal, dass es noch ein Feuerwerk der Leistungsspitzen wird.

Wir verlassen Gerardmer über die Jugendherberge. Da das der einzige schöne Weg weg vom Haus ohne Berge – also auch Col-Namen – ist, heißt er traditioneller weise „über die Jugendherberge“. An dem kurzen Anstieg will ich nur an Julius und Kurt vorbei, weil ich gerade meinen Tritt gefunden habe, und schon wird es zu einem Gerangel um die Plätze. Das führt dazu, dass wir alle PRs aufstellen.

Im Wald nehmen wir den Abzweig nach Fraize. Den Regen der letzten Nacht sieht man noch hier und da auf dem Asphalt und man spürt ihn in der Atemluft. In weiten und manchmal etwas engeren Kurven führt die Straße bergab und motiviert uns, ein letztes Mal schnell zu fahren. Als das Gefälle in sanfte -1,5% übergeht, formieren wir uns spontan zum Kreisel. Im Bewusstsein, dass kein Berg mehr vor uns liegt (was sind schon 15km mit 2,2%?), halten wir das Tempo, bis die Oberschenkel explodieren. Das führt dazu, dass wir alle PRs aufstellen.

Nach Fraize rein führt wieder einer dieser perfekten Radwege 20 Meter neben der stark befahrenen Bundesstraße. Leider endet er zu früh, so dass wir noch einen Teil der Strecke als Einerreihe fahren müssen. In Plainfaing  biegen wir rechts ab und sofort sind wir wieder unter uns. In einer sanften Steigung folgen wir den Schildern „Le Valtin“. Wir nehmen uns die Zeit für etwas Erfahrungsaustausch zu diversen Themen rund um Rennradtouren. Inzwischen hat die Sonne auch die letzte Straße getrocknet und wir öffnen den Reißverschluss unserer Trikots. Der Gebirgsbach schlängelt sich über raue Felsen parallel zur Straße, die Leitplanken werden durch Holzstämme ersetzt und im Schatten der entfernten Bäume grasen zwei weiße Pferde. Es erinnert eher an Mittelerde als an die Mitte Europas. IMG_2463Die beiden Serpentinen hinter Le Valtin fahren sich fast von selbst und drei verwegene Recken setzen zu einem letzten Bergsprint an, die Geschwindigkeit wird verdoppelt. Das führt dazu, dass wir alle PRs aufstellen.

Erschöpft und außer Atem freuen wir uns auf die letzte Abfahrt. Noch einmal in die Kurven legen, Durchsagen wegen Autos nach hinten schreien und an der Straße Xonrupt-Gerardmer ein allerletztes „Tempo Reduzieren“ nach hinten geben.IMG_2467

Zu Hause freuen sich alle noch einmal wie die Kinder beim Betrachten der Strava-PRs. Danach wird so langsam die Wohnung geputzt, der Müll weggebracht, die Bierflaschensammlung aufgelöst und die Autos gepackt. Während in Jens‘ Auto eine Person und ein Rad müssen, baue ich um den verbliebenen Sitz der Rückbank eine Wand aus Material, kann am Ende aber drei Personen, mit ihren Rädern, Material und Kleidung verstauen und auch alle Türen schließen. Das Internet verschwindet vollständig, es wird kein WLAN „TdV2016“ mehr geben. Haben wir alle Fenster geschlossen, auch das Badezimmerfenster? „Das restliche Salz? – Lassen wir da für nächstes Jahr!“

Eine perfekte TdV mit idealen Bedingungen neigt sich nicht dem Ende, sie endet. Ich lasse noch einmal die vergangenen Tage Revue passieren. Außer der gerissenen Kette, die absolut unproblematisch war, hatten wir keine Schäden und keine Stürze. Bei Routenplanung und Pausenwünschen herrschte selten erlebte Einigkeit. Jeder hat im Haushalt, sei es in der Küche, sei es bei der Wäsche, geholfen, wo er konnte. So wurde aus vier Radfahrern eine Gemeinschaft. Die Gemeinschaft der TdV löst sich auf und wir verlassen das Haus, dieses Mal in verschiedene Richtungen. Doch kein Bestseller ohne Fortsetzung: schon an der deutschen Grenze wird an der TdV2017 gearbeitet…

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